Nach einer schier endlosen Reise in einem "modernen" Nightliner Liegesitz komme ich gerädert in Hamburg an. Mit der S-Bahn gehts dann zu unserem Quartier, irgendwo in der Nähe einer der vielen S-Bahn-Stationen.
Dieses Irgendwo ist vielleicht das wahrhaft Entscheidende beim Reisen. Zuerst ist da ja die völlige Orientierungslosigkeit. Man weiss nicht, wo man ist, alles ist fremd, man hat keinerlei Anhaltspunkte. Ein Gefühl des Ausgesetztseins – oder ist das bloss einfach mein eigenes Erleben? Egal, jedenfalls beginnt man sofort damit, sich Anhaltspunkte zu merken, Anker zu sichern und sich damit ein Gerüst, eine Navigationshilfe zu bauen.
Es ist wie das Knochengerüst der Stadt – und mit der Zeit beginnt sich da auch Fleisch zu bilden. Die Kneipe in jener Ecke, wo ich eine Tasse Kaffee trank und der alten Frau zusah, dieses ist eine jener Stellen des Stadtskelettes die schon ein wenig Fleisch ansetzte, das die Sache lebendig werden lässt. Oder unten am Hafen, wo ich in jener noblen Gaststätte bemerkte, dass das abgehoben-unfreundliche Personal auf der ganzen Welt dasselbe ist.
Wo ich durch intellektuelle Konstruktion meiner Anker das Stadtskelett bilde, kann dieses aber nur durch erlebte Ereignisse mit Fleisch, mit Leben vervollständigt werden. Sowohl Orte wie auch Ereignisse bleiben uns ja erst durch gefühlsmässige Intensität in Erinnerung.
Lässt sich vielleicht gleich aufs ganze Leben ausweiten. Wir haben Ziele, Sprungpunkte, die die Richtungen unserer Wege vorgeben und die logische Struktur unserer bereits gegangenen Wege bilden. Aber erst die gefühlten Ereignisse in unserem Leben geben diesen Punkten auf der Landkarte unserer Biografie Geschmack.
Das Fühlen ist das, was alles was wir tun und erleben adelt.
Barlok // Hamburg 19. September 2011
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